Messung von Stand- und Fahrgeräusch aus polizeilicher Praxis


Erstellt am: 04 May 2021

Auf den Servern des Bundesumweltamts findet sich eine sehr eindrückliche Präsentation, die sehr schön die Zusammenhänge zwischen Standgeräsuchmessung und Fahrgeräuschmessung und die Probleme bei der Messung durch Polizeikontrollen darstellt. Alle, die meinen, man könnte das Problem Motorradlärm durch mehr Kontrollen in den Griff bekommen, erhalten hier wertvolle Hinweise und Einschätzungen seitens eines sehr erfahrenen Polizeibeamten.

Der Antrag der FDP Bundestagsfraktion enthält neben der Aufforderung, den Status quo bei den Immissionsgrenzwerten nicht zu verändern, auch eine technisch interessante Theorie. So heisst es im Antrag wörtlich:

“Die in der Entschließung aufgeführte Einführung eines zusätzlichen Fahrzeuggesamtgeräuschwertes von 80 dB(A) über alle Fahrzustände ist allerdings realitätsfern und berücksichtigt in keiner Weise motorfremde Klänge wie beispielsweise das Reifenabrollgeräusch oder das der offen liegenden Antriebskette. Die unterschiedlichen Geräuschquellen können bei schmalen einspurigen Zweiradfahrzeugen konstruktionsbedingt schlechter abgeschirmt werden als bei PKW. In der Praxis lässt sich daher der geforderte Gesamtgeräuschwert von 80 dB(A) sowohl bei Motorrädern mit Verbrennungsmotor als auch bei solchen mit Elektroantrieben in allen Fahrzuständen kaum realisieren.”

Es muss der Eindruck entstehen, dass die FDP tatsächlich glaubt, dass das Geräusch der Motorradkette bzw. die Reifenrollgeräusche bereits so laut sind, dass selbst ein Motorrad mit Elektroantrieb die 80 Dezibel im Fahrgeräusch überschreiten würde.

Interessanterweise gibt es aber schon heute viele Motorräder mit Verbrennungsmotor, die beim Fahrgeräusch mit konstanter Geschwindigkeit (außer auf der Autobahn bei Geschwindigkeiten deutlich über 100 km/h) unterhalb der 80 Dezibel bleiben. Man kann also - technisch gesehen - sehr wohl 80 km/h oder 100 km/h mit einem Motorrad fahren, ohne die 80 Dezibel Fahrgeräusch zu überschreiten.

Motorräder, die die Grenze von 80 Dezibel überschreiten, tun dies aufgrund der Kombination von rücksichtslosen Beschleunigungsmanövern mit absichtlich auf laut getunter Abgasanlage, aber sicher nicht aufgrund des Reifen- oder Kettengeräuschs. Die Reifen- oder Kettengeräusche werden durch eine rücksichtslose Beschleunigung nicht entscheidend lauter.

Die FDP stellt weiter fest:

“Wenn die geltenden Bestimmungen zu Lärmemissionen eingehalten werden, kommen die Interessen beider Seiten zu einem angemessenen Ausgleich.”

Diese Aussage steht im krassen Widerspruch zu den Untersuchungen des Umweltbundesamts, das feststellt hat, dass das reale Fahrgeräusch und das gemäß der geltenden Bestimmungen gemessen Fahrgeräusch durchaus 20 Dezibel voneinander abweichen können.

Sprich: Nach “geltenden Bestimmungen” wird für ein Motorrad z.B. ein Fahrgeräuschwert von knapp 80 Dezibel ermittelt, in der Realität kann das gleiche Motorrad durch eine veränderte (sportliche) Fahrweise dann aber auch fast 100 Dezibel laut sein. Das entspricht einer 4-fach lauteren Geräuschbelastung (weil die Einheit Dezibel auf einer logarithmischen Skala erfolgt und eine Erhöhung um 10 Dezibel einer Verdopplung der gefühlten Lautstärke entspricht).

Eine Überschreitung des maximal zugelassenen Motorradlärms um den Faktor 4 entspricht sicher nicht den “Interessen” der Anwohner oder Erholungssuchenden.

Die entsprechende Studie des Umweltbundesamtes findet man hier.

Weiter fordert die FDP in ihrem Antrag:

“am Schuldprinzip bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten festzuhalten und deshalb nicht den Halter eines Motorrads für Verstöße des Fahrers zu bestrafen”

Diese Forderung verwundert, denn in § 7 Abs. 1 der StVG ist ja bereits geregelt:

“Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.”

Die Halterhaftung ist also nichts Neues und sollte selbstverständlich auch für einspurige Kraftfahrzeuge gelten. Natürlich besonders dann, wenn der Halter sich weigert, den Namen des Fahrers preiszugeben. Wer sein Motorrad verleiht, der weiß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, an wen er das verliehen hat.

Die entsprechende Bundestagsdrucksache der FDP findet man hier als PDF.

Sie möchten eine Anzeige spenden?


Schreiben Sie eine Mail an info@rettet-die-stille.de und wir senden Ihnen gerne eine Kontoverbindung für Ihre Spende.

Schreiben Sie ihrem Abgeordneten! Und wie man sonst helfen kann.


Schon mit wenig Aufwand kann jeder helfen und viel mehr bewirken als man glaubt!

Anmeldung zum Newsletter


Hier klicken um sich für den Newsletter anzumelden.